Wenn Sie an einem Bergsee entlang spazieren und der Wind über das Wasser streicht, sehen Sie auf diesem See nichts, außer dem welligen Wasser. Hört der Wind auf zu wehen, beruhigt sich auch das Wasser und Sie erkennen das Spiegelbild der umliegenden Landschaft und staunen über diesen Anblick. Das Spiegelbild war vorher auch da, nur konnten Sie es nicht sehen. Sie können auch einen Eimer mit Wasser befüllen und versuchen, sich darin selbst zu erkennen. Es wird Ihnen erst gelingen, wenn das Wasser still ist.
Wenn man bedenkt, wie wenig Ruhephasen es pro Tag gibt, kann man erahnen, wie viel aus unserem Sichtfeld verschwindet. Unruhe ist offenbar der Normalzustand. Sonst würde es wohl keine Ruheräume geben und bei so vielen Gelegenheiten um Ruhe gebeten werden. Manche tun sich sogar schwer, Ruhe überhaupt auszuhalten. Im Lift und im Taxi sind wir dann peinlich berührt. Beim Friseur wird Ruhe mit belanglosem Smalltalk gefüllt. Und zu Hause braucht es sowieso immer eine mediale Geräuschkulisse. Ruhe empfinden manche als Qual.
Ist Unruhe etwa eine unbewusste Vermeidungsstrategie? Was würden wir in diesem Fall vermeiden wollen? Die Beschäftigung mit uns selbst, das Erkennen unserer Bedürfnisse und Ängste? Möchten Sie überhaupt, dass das Wasser im Eimer still wird? Oder würden Sie kurz vorher nochmal daran rütteln? Vielleicht braucht es tatsächlich Mut, Ruhe zuzulassen und nur noch die Gedanken zu hören, die dann entstehen. Vielleicht sind diese nicht immer so schön wie das Spiegelbild im Bergsee. Vielleicht würden Sie aber auch staunen. Denn in manchen Seen liegen noch Schätze verborgen.
Keine Kommentare vorhanden